Wie Zahnräder, die ineinander greifen

Unfallchirurgen und Altersmediziner kooperieren im Zentrum für Alterstraumatologie

Eine falsche Bewegung, als Folge ein Sturz und ein Knochenbruch: Was in jüngeren Jahren oft problemlos weggesteckt wird, kann in höherem Lebensalter eine ernste gesundheitliche Bedrohung sein und schnell zum Verlust der Selbstständigkeit führen. Denn der Knochenbruch, medizinisch Fraktur, ist in dieser Lebensphase oft nur die Spitze eines Eisbergs. „Oftmals weisen ältere Patienten zusätzlich zahlreiche Einschränkungen auf“, weiß Dr. Thomas Wesemann, Chefarzt der Altersmedizin im Marien-Hospital Wattenscheid. Diese Co-Morbiditäten wie beispielsweise kognitive Einschränkungen, Osteoporose, Gangunsicherheiten, aber auch chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Parkinson müsse der Patient als zusätzliches Päckchen während Narkose, Operation und der Nachbehandlung tragen. Genau hier setzt das Zentrum für Alterstraumatologie des Katholischen Klinikums an, in dem Altersmediziner und Unfallchirurgen solche Patienten kooperativ behandeln, um ihnen eine optimale Versorgung anzubieten.

Thomas Wesemann vergleicht die Gesundheit älterer Traumapatienten gerne mit einem Kartenhaus: „Bei vielen waren die Defizite schon da, wurden aber kompensiert – durch den Unfall und die anschließende Behandlung fällt dann eine Karte heraus und die Defizite werden deutlich sichtbar.“ Denn ältere Menschen verkraften eine Narkose nicht mehr so problemlos wie jüngere, und Co-Morbiditäten täten ihr Übriges. Genau hier greift die Kooperation zwischen den Unfallchirurgen und Altersmedizinern: Dadurch, dass beide Bereiche ihre Expertise einbringen, soll der Patient gewissermaßen wieder auf ein festes Fundament gestellt werden. „Wir stellen uns die Frage: Wie behandeln wir gemeinsam am besten Schmerzen, Osteoporose oder einen Dekubitus“, ergänzt Dr. Sascha Unverricht, ebenfalls Chefarzt im Marien-Hospital. Bereits vor der Operation - beispielsweise einer Oberschenkelhalsfraktur -beraten die Mediziner über die bestmögliche Behandlung des Patienten. „Unsere Zusammenarbeit kann man sich vorstellen wie Zahnräder, die ineinandergreifen“, erklärt Unfallchirurg Dr. Marc Schmücker. „Es gibt Dinge, die im chirurgischen Blick bleiben müssen, aber auch Bereiche, die vom Altersmediziner besser abgedeckt werden.“

Habe man früher Versorgung und Nachbehandlung ausschließlich in der Chirurgie betrieben, werde nun im internistischen Konsil gemeinsam auf den Patienten geschaut. Schmücker: „Wir fragen uns: Was kann man diesem Patienten in der Behandlung überhaupt zumuten, diskutieren sämtliche Therapieansätze und -schritte interdisziplinär und planen die weitere Versorgung bereits in einem frühen Stadium.“ Auch die anschließende Reha kann dabei individuell für jeden Patienten geplant werden. „Die einen sind fit genug für eine ambulante Rehabilitation, andere benötigen eine stationäre Reha, die ärztlich geführt ist und bei der man auf die Co-Morbiditäten schaut“, erklärt Sascha Unverricht. In beiden Fällen erstellen wir interdisziplinär und multiprofessionell einen individuellen Behandlungsplan für jeden Patienten.“

Ziel ist möglichst eine Entlassung in die vorherige Lebenssituation

Die erfolgreiche Zusammenarbeit von Unfallchirurgen und Geriatern in den bislang 146 Zentren für Alterstraumatologie in Deutschland lässt sich bereits mit Daten belegen. Thomas Wesemann: „Durch dieses orthogeriatrische Co-Management wird das Überleben von Patienten mit Hüftfraktur deutlich verbessert: etwa 30 Todesfälle pro 1000 Hüftfrakturen werden vermieden.“

„Ich fühle mich rundum gut versorgt und bestens aufgehoben“

Barbara Horney (83) erzählt nach einem Schulterbruch über ihre Erfahrungen im Zentrum für Alterstraumatologie

Selbstständig einen Joghurtbecher öffnen, die Zahnbürste benutzen und das Gesicht mit beiden Händen waschen: Das sind Erfolge, auf die Barbara Horney stolz ist. Im März hat sich die 83-jährige Bochumerin bei einem Sturz die rechte Schulter gebrochen. „Ich hatte es zu eilig, war hektisch und gereizt und bin auf dem Weg zur Terrasse an einem Möbelstück hängengeblieben“, erinnert sie sich. „Mir war sofort klar, dass da etwas gebrochen war.“ Es folgte eine komplexe und interdisziplinäre Versorgung im AltersTraumazentrum des Katholischen Klinikums Bochum: Operation im St. Josef-Hospital mit der Implantation einen künstlichen Gelenks, Akutbehandlung im Zentrum für Altersmedizin im Marien-Hospital Wattenscheid und dort nun auch die geriatrische Rehabilitation. „Ich habe mich von Anfang an gut aufgehoben gefühlt.“

Bereits vor der Operation kam die interdisziplinäre Arbeit der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie und des Zentrums für Altersmedizin zum Tragen. Da ältere Menschen die notwendige Narkose nicht immer so leicht wegstecken, wurde Barbara Horney von den Altersmedizinern vorab durchgecheckt. „Frau Horney war aber operationsfähig und hat auch bei den Visiten kaum Besuch der Geriatrie benötigt“, erinnert sich Dr. Thomas Wesemann, Chefarzt der Klinik für Altersmedizin. Die Patientin selbst gerät nahezu ins Schwärmen, wenn sie an ihre Operation zurückdenkt. „Ich hatte zwar ein wenig Angst vor der Narkose, habe mich aber vor dem Eingriff sehr entspannt gefühlt“, erzählt Barbara Horney. „Die Landschaftsbilder in den modernen Vorbereitungs- und Aufwachräumen haben mich sehr beruhigt.“

Schon bald nach der OP ging es ins Marien-Hospital zur akutmedizinischen Behandlung und Frührehabilitation. „Akutmedizinisch war Frau Horney kein problematischer Fall“, sagt Dr. Wesemann, der zunächst nach einer möglichen medizinischen Ursache für den Sturz gesucht hat. „So etwas soll sich ja möglichst nicht wiederholen, und wenn Schwindel oder Gangunsicherheiten die Ursache sind, kann man etwas dagegen tun.“ In dieser Hinsicht war die Patientin allerdings unauffällig. So ging es nun nach der so genannten Akutphase mit Sturz, OP und Narkose vor allem um Wundheilung, Behandlung des Hämatoms und Schmerztherapie sowie erste Rehabilitationsschritte. „Was muss geübt, wiederhergestellt und ausgebaut werden, damit man zu Hause wieder klarkommt“, fasst Dr. Wesemann das Ziel zusammen.

Mit im Boot sind dabei Physio- und Ergotherapeuten sowie Sozialarbeiter. Barbara Horney bekam Massagen, Krankengymnastik und Ergometertraining, eine Kältetherapie gegen das postoperative Ödem und Übungen für die Feinmotorik. „Ich bin auch sehr dankbar für die Beratung durch die Ergotherapeuten zu den technischen Veränderungen, die zu Hause nötig sind“, erzählt sie. „Und die Sozialarbeiterin hat mich informiert, welche Hilfen ich nach meiner Entlassung noch in Anspruch nehmen kann. Das hat mir alles sehr gefallen. Es ist auch nicht zu viel Information auf einmal, man wird nicht überfordert.“ Und: „Die Höflichkeit hier im Hause gefällt mir sehr. Ich fühle mich wohl, ich fühle mich wirklich wohl und bestens aufgehoben.“

„Es gibt schon erste Erfolge“, freut sich Barbara Horney und nennt Zahnbürste, Joghurtbecher und Gesichtswäsche. „Und ich bin froh, dass ich auch mit der linken Hand einiges tun kann. Aber etwas zu schneiden oder ein Brot zu streichen – das fällt mir noch schwer.“ Kein Wunder, sagt Dr. Wesemann. „Der Arm durfte sechs Wochen lang nicht aktiv belastet werden. Der Genesungsverlauf wird jetzt Fahrt aufnehmen, gerade was die Funktionen angeht. Nachdem die Akutmedizin immer weniger wird, werden die Fortschritte noch schneller kommen.“

„Es geht voran, in kleinen Schritten“, lautet das Fazit von Barbara Horney. Dr. Wesemann ist ebenfalls optimistisch. „Ich glaube, dass wir jetzt in der geriatrischen Reha so weit kommen, dass Sie zu Hause mit einer ambulanten Physiotherapie klarkommen.“ Alternativ könnte die Patientin aber auch noch die teilstationäre Reha in der Tagesklinik des Marien-Hospitals nutzen. Angesichts dieses Gesamtpakets ist Barbara Horney überzeugt: „Ich bin gut versorgt, wenn ich wieder nach Hause komme.“