Ein neues Leben hat längst begonnen
So viel Glück und Kraft wie Rolf Zimmermann (73) haben nicht alle Menschen, die an Krebs erkranken. Er ist ein Vorzeigepatient. Für ihn Grund genug, mit seiner Geschichte anderen Mut zu machen.
Warum ausgerechnet ich? „Diese Frage habe ich mir nie gestellt“, sagt Rolf Zimmermann, der 2008 an Pankreas-Krebs erkrankte, dem gefährlichsten Krebs überhaupt. Gerade einmal zwei Monate zuvor war seine erste Ehefrau, mit der er 36 Jahre verheiratet gewesen war, auch an einer Krebserkrankung gestorben. Stattdessen habe ich mir gesagt: „Nun also auch du.“ Es war schlimm damals. „Ich hab‘ zunächst gedacht, das ist jetzt dein Todesurteil. Warum sollst ausgerechnet du zu den zwei Prozent gehören, die diesen Krebs längerfristig überleben?“ So niedrig war die Überlebensrate damals.
Heute, elf Jahre nach der Diagnose, gilt der in Dorsten wohnende ehemalige Bergbau-Ingenieur als eine Art Vorzeigepatient. Wacher Blick, gesunde Haut und voller Ziele. Aber so einfach war es lange Zeit nicht. Der Heilungsprozess verlief keineswegs nur schnurgerade nach oben, sondern mit zahlreichen Rückschlägen. Auch Metastasen in der Leber und eine dann folgende zweite OP durch Prof. Uhl im St.Josef-Hospital Bochum - die Pankreas-Resektion mit gleichzeitiger Entfernung von Milz und Gallenblase hatte noch in Blankenstein stattgefunden - blieben ihm nicht erspart.
Gar nicht zu reden von den Chemotherapien und einer Kombination aus Chemo-und Antikörpertherapie, die anfangs ebenfalls erhebliche Spuren hinterließen. Durch die Entfernung des Pankreasschwanzes, in dem das Insulin produziert wird, muss Rolf Zimmermann mehrmals täglich den Blutzuckerspiegel messen und Insulin spritzen. Das erfordert viel Selbstdisziplin, einschließlich des Kampfes um die Pfunde.
Dass er es dennoch geschafft hat, schreibt der 73-Jährige neben den Ärzten und dem gesamten OP-und Pflegeteam, denen er unendlich dankbar ist, in erster Linie seinem privaten Umfeld zu. Insbesondere seiner zweiten Ehefrau, die ihm ein neues Glück gebracht hat, aber auch seinen Söhnen und Enkeln, von denen es mittlerweile sechs gibt. Der christliche Glaube kam auch dazu. Die Familie jedenfalls war und ist der Anker schlechthin: „Eine psychosoziale Betreuung brauchte ich nicht, ich weiß auch gar nicht was das ist.“
Auch habe er die Ärzte nie gefragt, wie lange er noch zu leben habe. „Zum einen kannte ich die Statistiken über die Lebenserwartung ja selbst, zu anderen stürzt man einen Arzt mit dieser Frage auch in Gewissensnöte. Sich da festzulegen, halte ich für extrem schwer.“ Viel wichtiger war für ihn die Aufarbeitung der Krankheit im eigenen sozialen Umfeld. Am besten natürlich mit der eigenen Familie: „Sie gibt einem emotional so viel!“
Und heute? Selbst im Rentnerdasein bleibt wenig Zeit. „Gebraucht zu werden, das ist ein Glücksgefühl. Pro Woche gehen schon mal zwei Tage für die Enkel drauf“, sagt Rolf Zimmermann. Und der Rest ist gut gefüllt. Zum Beispiel mit Reisen. „Mit 66 Jahren bin ich die Route 66 in den USA gefahren“, lacht er. Hinzu kommen Sport, politische oder kulturelle Aktivitäten, vom Theater-Abo in Marl bis hin zu Kabarett-Besuchen in Dorsten. Außerdem geht er regelmäßig zu den Heimspielen von Schalke 04. In der Nordkurve, da, wo die treuesten aller Fans stehen.
Der Krebs, ist er vergessen? So ganz sicher nicht. Aber für Rolf Zimmermann hat längst ein neues Leben begonnen. Prall gefüllt.