Indikation und OP

Indikation zur Cochlea-Implantation

Cochlea-Implantate werden seit Anfang der 1980er Jahre in der klinischen Routine eingesetzt. Zunächst wurden ausschließlich ehemals hörende, erwachsene Patienten versorgt, die auf beiden Seiten vollständig taub waren. Inzwischen hat sich jedoch der Einsatzbereich aufgrund technischer Weiterentwicklungen der CI-Systeme sowie zunehmender Langzeiterfahrungen deutlich erweitert.

Ein Cochlea-Implantat kommt primär für Patienten in Frage, deren Hörvermögen trotz optimaler Versorgung mit konventionellen Hörgeräten für die lautsprachliche Kommunikation nicht mehr ausreicht - wenn also Sprache über das Hören allein nicht mehr gut genug verstanden wird. Dabei ist die Benutzung eines Cochlea-Implantates auf der einen Seite und eines Hörgerätes auf der anderen Seite möglich, auch wenn der Klangeindruck unter Umständen recht unterschiedlich ist.

Inzwischen stellen sich sogar immer häufiger Patienten vor, die einseitig taub sind, auf der Gegenseite jedoch noch gut hören. Dann muss eine individuelle Entscheidung für oder gegen das CI getroffen werden, die in besonderem Maße auch die Erwartungshaltung des Patienten an das CI berücksichtigt. Im Allgemeinen geht es in solchen Fällen jedoch weniger um eine grundsätzliche Wiederherstellung der Kommunikationsfähigkeit als vielmehr um eine Verbesserung des Sprachverständnisses in geräuscherfüllter Umgebung und des Richtungshörens.
In Einzelfällen kann auch eine CI-Versorgung zur Maskierung eines Tinnitus (Ohrgeräusch) auf einem tauben Ohr diskutiert werden.

Eine spezielle Form der CI-Versorgung stellen die sogenannten EAS (Elektro-Akustische-Stimulation) oder Hybrid-Systeme dar. Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus CI-Audioprozessor und Hörgerät in einem.
Ein solches System kommt für Patienten in Frage, die noch ein gutes Restgehör im Tieftonbereich haben, im Hochtonbereich jedoch taub sind. Dann kann in einer speziellen Operationstechnik eine verkürzte CI-Elektrode implantiert werden, um das Risiko des Verlustes des Tieftonrestgehörs zu minimieren, so dass der Tieftonbereich über den Hörgeräteteil und der Hochtonbereich über die CI-Elektrode des EAS-Systems stimuliert wird.
Der Höreindruck einer solchen kombinierten Versorgung wird im Vergleich zur klassischen Cochlea-Implantat-Versorgung oftmals als natürlicher beschrieben, Voraussetzung ist jedoch ein über die Jahre konstant gutes Tieftonrestgehör.

Das Alter der CI-Patienten zum Zeitpunkt der Operation reicht von über 80 Jahren bis unter einem Jahr, da die Cochlea bereits bei der Geburt ihre endgültige Form und Größe hat.

Besteht die Taubheit bereits von Geburt an, so ist eine CI-Versorgung möglichst vor Vollendung des 2. Lebensjahres anzustreben, da dann die Prognose bezüglich der Hör- und Sprachentwicklung besonders gut ist. Ebenfalls sehr gute Voraussetzungen haben Erwachsene, deren Ertaubung erst kurze Zeit zurückliegt und die vorher gut gehört haben.

Grundsätzlich auch in Frage kommt eine Cochlea-Implantation für Erwachsene, die zum Zeitpunkt der OP bereits seit vielen Jahren taub sind bzw. für taub geborene Kinder, die erst im Kindergartenalter versorgt werden. In diesen Fällen ist jedoch unter Umständen mit einer längeren Lernphase oder einem etwas weniger guten Erfolg zu rechnen.

Bei Jugendlichen oder Erwachsenen, die von Geburt an beidseits vollständig taub sind, wird man dagegen in den meisten Fällen von einer Cochlea-Implantation eher abraten, da nicht mehr mit der Erlangung eines offenen Sprachverständnisses zu rechnen ist.

Durch die positive Entwicklung in der Frühdiagnostik kindlicher Schwerhörigkeiten wird die Frage nach einer Cochlea-Implantation immer früher gestellt. Da die Hör-/Sprachentwicklung mit dem Implantat für viele Kinder und Eltern ein mühevoller Arbeits- und Lernprozess ist und nicht jedes Kind normal sprechen lernt, sind folgende Punkte bei Säuglingen und Kleinkindern besonders zu beachten und im Vorfeld abzuklären:

  • die allgemeine Entwicklung des Kindes
  • Entwicklungsverzögerungen / -störungen
  • zusätzliche chronische Erkrankungen
  • die soziale Familienstruktur zur Sicherstellung einer kontinuierlichen technischen Betreuung und Hör-Spracherziehung
  • die Erwartungshaltung der Eltern muss realistisch sein
  • die Entscheidung für die Implantation muss von beiden Elternteilen gleichermaßen getragen werden

Weiterhin ist vor allem bei unbekannter Ursache der Hörstörung auch bei kleinen Kindern vor der Implantation ein Hörgeräte-Trageversuch sinnvoll.

All dies setzt eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen CI-Zentrum und Pädaudiologie voraus, wobei die uns aus umliegenden pädaudiologischen Abteilungen nach dort erfolgter Diagnostik einer hochgradigen Schwerhörigkeit vorgestellten kleinen Patienten selbstverständlich auch während und nach der CI-Versorgung dort in pädaudiologischer Betreuung bleiben.

Ablauf der CI-Versorgung

Nachdem durch den Hals-, Nasen- und Ohrenarzt bzw. den Pädaudiologen festgestellt wurde, dass ein Patient aufgrund des Ausmaßes seines Hörverlustes grundsätzlich für ein CI in Frage kommen könnte, müssen spezielle Voruntersuchungen durchgeführt werden, um herauszufinden, ob eine CI-Versorgung in diesem Fall möglich und auch sinnvoll ist. Dies erfolgt im Rahmen eines eintägigen stationären Aufenthaltes in der Klinik. Stellt sich hierbei der Patient als geeignet heraus, kann ein OP-Termin vereinbart werden.

In der Operation wird dann das Implantat eingesetzt. Auch dies erfordert einen stationären Klinikaufenthalt von etwa fünf bis sieben Tagen. Direkt nach der Entlassung kann der Patient noch nicht (bzw. noch nicht wieder) hören.

Erst etwa vier Wochen nach der Operation ist die Wunde so weit verheilt, dass die Haut über dem Implantat nicht mehr geschwollen ist und das Implantat selbst fest genug sitzt. Dann kann zum ersten Mal die Sendespule angelegt und der Audioprozessor in Betrieb genommen werden. Dieser muss jedoch zunächst individuell für jeden Patienten programmiert werden.

Das Erstellen eines optimalen Audioprozessorprogramms kann sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten erstrecken. In dieser Zeit muss der Patient regelmäßig (ambulant) in die Klinik kommen, wobei jedoch die Zeitabstände zwischen den Anpassungen immer größer werden. Später reichen ein bis zwei Kontrolltermine pro Jahr.

Parallel dazu sind oftmals ein spezielles Hörtraining und / oder weitere Rehabilitationsmaßnahmen sinnvoll bzw. notwendig, welche ebenfalls in der Klinik, unter Umständen aber auch am Wohnort oder in Einzelfällen in Form einer stationären Reha durchgeführt werden können.

Die einzelnen Schritte im Ablauf der CI-Versorgung sollen nun im Folgenden näher erläutert werden.

Die Voruntersuchungen

Damit mit dem CI überhaupt ein Hörereignis ausgelöst werden kann, muss die Ursache der Hörstörung im Innenohr liegen. Hörnerv und Verarbeitung im Gehirn müssen funktionieren. Weiterhin muss die Anatomie so beschaffen sein, dass es dem Chirurgen möglich ist, die Elektrode in die Cochlea einzuführen. Diese Voraussetzungen werden in speziellen Voruntersuchungen abgeklärt.

In den Voruntersuchungen müssen drei Punkte geklärt werden:

  • Hört der Patient tatsächlich so schlecht, dass ihm ein CI besser helfen wird als ein konventionelles Hörgerät?
  • Liegt die Ursache der Hörstörung primär im Innenohr und funktionieren Hörnerv und Weiterverarbeitung des Reizes?
  • Ist es von der Anatomie her möglich, die Elektrode in die Cochlea einzuführen?

Hierzu werden neben den üblichen Messungen der Hörschwellen und des Sprachverständnisses mit und ohne Hörgerät auch eine Diagnostik der Mittelohren und der Gleichgewichtsfunktion sowie eine BERA (Computerhörtest, bei dem mittels Klebeelektroden auf der Schädeloberfläche die elektrischen Antworten von Hörnerv und Hirnstamm auf einen akustischen Reiz aufgezeichnet werden) sowie eine Computertomografie (Röntgenschichtaufnahme zur Darstellung der Anatomie des Ohres und des Schädelknochens in diesem Bereich) durchgeführt. Zusätzlich wird gegebenenfalls noch über eine Elektrode im Gehörgang oder eine durch das Trommelfell platzierte Nadelelektrode der Hörnerv elektrisch gereizt. Dies ist jedoch nur notwendig, wenn auf dem zu implantierenden Ohr keinerlei Hörreste mehr vorhanden sind.

Bei kleinen Kindern müssen diese Untersuchungen in Narkose durchgeführt werden, da sie nicht während der gesamten Messdauer still liegen. Und auch bei Erwachsenen ist im Schlaf in der Regel eine bessere Messung möglich, so dass oftmals eine Sedierung (Schlaftablette) durchgeführt wird.

Die Voruntersuchungen werden deshalb im Rahmen eines eintägigen stationären Aufenthaltes durchgeführt und in einem abschließenden, ausführlichen Beratungsgespräch erfolgt dann die Empfehlung für oder gegen ein Cochlea-Implantat.

Die Operation

Das Implantat selbst wird in einer ein- bis zweistündigen Operation unter Vollnarkose in den Schädelknochen eingesetzt.

Zuerst wird die Haut direkt hinter der Ohrmuschel eröffnet (die Narbe wird man unter den Haaren später nicht mehr sehen). In dem Knochen hinter dem Ohr - dem sogenannten Mastoid - wird eine flache Mulde für das Implantatgehäuse geschaffen, so dass es später nicht verrutscht und sich nicht als Beule unter der Kopfhaut abzeichnet.

Danach bahnt sich der Operateur seinen Weg ca. 2 - 3 cm tief durch den Knochen bis zum Mittelohr, wobei er aufpassen muss, den Gesichtsnerv nicht zu beschädigen. Die Cochlea wird mit einem etwas mehr als 1 mm großen Loch eröffnet, durch das die Stimulationselektrode etwa 30 mm weit eingeführt wird.

Zu Problemen kann es dabei kommen, wenn eine Verknöcherung der normalerweise flüssigkeitsgefüllten Hörschnecke vorliegt. Dies kann z.B. nach einer Hirnhautentzündung der Fall sein, ist aber in der während der Voruntersuchungen durchgeführten Computertomografie (CT) zu sehen.

Des Weiteren kann das Einführen der Elektrode die filigranen Strukturen innerhalb der Cochlea beschädigen oder es tritt eventuell Flüssigkeit aus der Cochlea aus, wodurch es zum Verlust eines vielleicht noch vorhandenen Restgehörs kommen kann. Durch die Voruntersuchungen muss daher unbedingt sichergestellt sein, dass dieses Restgehör nicht mehr für die Kommunikation benötigt wird.

Nachdem Elektrode und Implantatgehäuse fixiert wurden und die Haut wieder zugenäht ist, wird noch im Operationssaal ein Funktionstest des Implantats durchgeführt. In manchen Fällen ist auch die Überprüfung der genauen Lage der Elektrode durch eine Röntgenaufnahme sinnvoll.

Direkt nach der Operation kann es vor allem bei Erwachsenen zu Schwindel kommen, ansonsten ist der Eingriff verhältnismäßig wenig belastend und wenig schmerzhaft. Kinder werden in der Regel innerhalb einer Woche wieder entlassen, Erwachsene bleiben manchmal ein paar Tage länger in der Klinik.