Nach der OP
Audioprozessor-Anpassung
Nach erfolgter Operation startet die Reha. Dabei müssen zwei grundlegend verschiedene Bereiche unterschieden werden: Die Audioprozessoranpassung und das Hörtraining.
Wie bereits beschrieben, werden die akustischen Reize im Audioprozessor analysiert und in ein elektrisches Impulsmuster umgesetzt, welches Informationen über die Lautstärke und die Tonhöhe enthält. Damit das Gehirn diese Informationen jedoch richtig interpretieren kann, benötigt jeder Patient eine andere elektrische Stimulation, d.h., jeder Patient braucht eine individuelle Audioprozessorprogrammierung.
Dieses Audioprozessorprogramm wird in Zusammenarbeit von Patient und Ingenieur im Rahmen ambulanter Anpasstermine in der Klinik erarbeitet, wobei zwischen der OP und der Erstanpassung etwa vier bis fünf Wochen liegen, damit die Haut über dem Implantat nicht mehr geschwollen oder druckempfindlich ist.
Die wichtigsten Parameter des Audioprozessorprogramms sind
- die Stromstärke, die benötigt wird, um überhaupt eine Hörwahrnehmung auszulösen
- die Stromstärke, die zulässig ist, ehe es zu laut wird.
Diese Werte variieren von einem Patienten zum anderen - und sogar von einem Elektrodenkontakt zum anderen - so stark, dass es keine Standardeinstellung geben kann. Und selbst bei dem selben Patienten verändert sich während der ersten Tage oder Wochen nach der Erstanpassung die Wahrnehmung in der Regel so stark, dass ein regelmäßiges Nachstellen nötig ist.
Bei Säuglingen und Kleinstkindern ist die Anpassung nur über Verhaltensbeobachtung möglich, d.h. man hält nach kleinsten Verhaltensänderungen als Reaktion auf den elektrischen Reiz Ausschau. Dies können ein Innehalten in der momentanen Beschäftigung oder suchende Augenbewegungen sein.
Nachdem die Grundeinstellung erfolgt ist, sind halbjährliche Kontrolltermine ausreichend. Die technische Betreuung erfolgt dann weiterhin ambulant in der Klinik bzw. direkt über die Herstellerfirma des CI-Systems (wobei eine Ersatzteillieferung innerhalb eines Werktages gewährleistet ist und Reparaturen direkt mit der Krankenkasse abgerechnet werden) oder über den entsprechend ausgestatteten und geschulten Hörgeräteakustiker.
Hören mit dem Cochlea-Implantat
Das Hören mit dem CI unterscheidet sich grundsätzlich vom Hören mit einem Hörgerät. Beim Hörgerät besteht das Problem meist darin, über einen weiten Frequenzbereich genügend Verstärkung zu erzielen. Gelingt dies, so ist in der Regel auch das Verstehen von Sprache wieder möglich. Anders beim CI: Hier nehmen die Patienten zwar von Anfang an eine große Fülle von Geräuschen wahr, können diese jedoch zuerst nicht zuordnen.
Denn Hören ist nicht gleich verstehen. Auch wenn die Elektrode in der Operation vollständig eingeführt und in der Prozessoranpassung eine annähernd normale Hörschwelle eingestellt werden konnte, ist noch keine Vorhersage über das spätere Sprachverständnis möglich. Die Spanne reicht dabei von Patienten, die mit ihrem Handy telefonieren können bis hin zu Patienten, die "nur" Geräusche wie die Türklingel oder das Telefon erkennen, jedoch keinerlei Sprache verstehen können. Das Hören muss neu gelernt werden.
Dieses Lernen wird bei manchen Patienten besser und leichter gehen als bei anderen, was man vielleicht als Begabung bezeichnen könnte: So wie es Menschen gibt, die gut Klavier spielen können oder fließend Fremdsprachen sprechen, ist auch beim Hörenlernen mit CI nicht nur der Wille oder das Training maßgebend für den Erfolg.
Ein wichtiger Faktor ist die Hörerfahrung, die das Ohr vor der Implantation hatte: je "normaler" das Hörvermögen vor der Ertaubung und je kürzer die Dauer der Taubheit, desto besser (auf ein paar Monate kommt es bei Erwachsenen allerdings nicht an). Bei taub geborenen Kindern ist schnelles Handeln besonders wichtig, da das Gehirn für das Hörenlernen in den ersten Lebensjahren besonders empfänglich ist. Es ist fraglich, ob ein taub geborenes Kind, welches mit fünf bis sechs Jahren mit einem CI versorgt wird, noch viel aktive Sprache entwickeln wird. Ein von Geburt an tauber, im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter versorgter Patient wird jedoch sicher nicht mehr sprechen lernen und voraussichtlich auch nicht mehr lernen, Sprache zu verstehen.
Nur in wenigen Fällen ist das Hören mit CI qualitativ mit dem normalen Hören zu vergleichen. Es erfordert meist eine deutlich erhöhte Konzentration und sobald lautere Umgebungsgeräusche hinzukommen, mehrere Menschen gleichzeitig reden oder in halligen Räumen gesprochen wird, werden auch sehr gute CI-Patienten Schwierigkeiten mit dem Sprachverständnis bekommen
Auch das Telefonieren mit dem Cochlea-Implantat ist keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: Ein flüssiges Gespräch am Telefon mit einem fremden Gesprächsteilnehmer führen, kann nur ein relativ kleiner Teil der CI-Patienten.
In der Regel gelingt es jedoch, den Erwachsenen wieder eine Kommunikation über die gesprochene Sprache und den Kindern den Erwerb von Lautsprache zu ermöglichen. Einige Kinder, die erst mit dem CI hören gelernt haben, können sogar die Regelschule besuchen.
Rehabilitation bei Erwachsenen
Das Hören mit CI bedeutet, in eine neue Klangwelt gehüllt zu sein. Sowohl Geräusche als auch Sprache klingen anders als mit dem normalen Gehör. Beim logopädischen Hörtraining lernt der Patient, die zunächst fremden Klangbilder wahrzunehmen, zu unterscheiden, wiederzuerkennen und mit den entsprechenden Schallquellen bzw. Sprachlauten zu verknüpfen. Mit der Zeit wird so aus dem bloßen Hören das Verstehen der neuen akustischen Umwelt.
Hier einige Übungsbeispiele:
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Es werden Alltagsgeräusche, Tierstimmen und Musikinstrumente vorgestellt, die der Patient beschreiben soll und voneinander unterscheiden lernt.
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Auf einem Instrument erzeugt die Logopädin Töne von verschiedener Dauer, Lautstärke und Tonhöhe. Anfangs geht es darum, große Unterschiede herauszuhören, später auch kleine Differenzen wahrzunehmen.
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Aus einer Wortliste spricht die Logopädin einzelne Wörter vor, die dann ohne Mundablesen erkannt werden sollen.
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Texte, Gedichte und Zeitungsartikel werden abschnittsweise vorgelesen und sollen hörend bzw. in Kombination mit Mundablesen verstanden und wiedergegeben werden.
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Das Telefonieren wird geübt, entweder mit einer Telefontaktik oder sogar mit offenem Sprachverstehen.
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In anderen Übungen wird es auch um für Hörbehinderte günstiges Verhalten oder ein Mundablesetraining gehen.
Je nach Erfordernis, Interesse und Wunsch werden Angehörigen in die Therapie und Beratung mit einbezogen und erlernen zusammen mit dem Patienten Kommunikationstaktiken, eine deutlichere Artikulation und das Fingeralphabet.
Für alle Therapiebereiche gilt der Grundsatz, dass die Übungen auf das individuelle Leistungsvermögen zugeschnitten werden und die ca. 45-minütigen Sitzungen in einer ruhigen und entspannten Atmosphäre stattfinden. Manchmal entdeckt die Logopädin bestimmte Schwierigkeiten beim Hör-Verstehen, die sie dann mit dem Ingenieur bespricht. Unter Berücksichtigung dieser Informationen kann der Ingenieur ggf. Veränderungen im Programm des Sprachprozessors vornehmen, die zur Verbesserung der Hörleistungen führen.
Der Grad des Verstehens hängt von vielen Faktoren ab und variiert stark. Daher kann man vor der Implantation keine genauen, verlässlichen Voraussagen über die letztendliche Effektivität bezüglich des Verstehens machen. In jedem Fall ist das Hören mit CI eine gute Unterstützung des Mundablesens, da die rhythmisch melodischen Sprachanteile wieder erkannt werden.
Grundsätzlich besteht für jeden in unserer Klinik implantierten Erwachsenen das Angebot zur ambulanten Hörrehabilitation in unserem Hause. In manchen Fällen jedoch wird eine Reha gar nicht nötig sein und in anderen Fällen wiederum macht eine wohnortnähere oder sogar stationäre Reha mehr Sinn.
Rehabilitation bei Kindern
Es ist die Zielsetzung, für jedes Kind Kommunikation entsprechend seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten zu ermöglichen.
Mit der Implantation und der Aktivierung des Audioprozessors beginnt für die Kinder erstes oder neues Hören. Auch wenn sie vor der Implantation durch die bis dahin erfolgte Frühförderung und die Anregung zu Hause schon Höreindrücke gesammelt haben, ist es mit dem CI notwendig, das veränderte Hören zu erlernen. Je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes sollte es in der Förderung den Umgang mit verschiedenen Gegenständen und den damit verbundenen Geräuschen erfahren.
In der heilpädagogischen Förderung werden diejenigen Kinder betreut, die zusätzlich zu ihrer Hörstörung noch weitere Entwicklungsbeeinträchtigungen oder Behinderungen haben. Schwerpunkte dieser individuellen Pädagogik sind unter anderem die Bausteine der kindlichen Entwicklung, welche dem vorsprachlichen Bereich angehören. Sie bilden die Basis für Kommunikation, Sprachverständnis und aktive Sprache. Körperwahrnehmung, Raumwahrnehmung, Material- und Spielerfahrung, die Bildung des Selbst, das Verständnis von "ICH" und "DU" sind solche Grundlagen, die den Kindern im Spiel angeboten werden.
In der logopädischen Therapie erfolgt die Zuordnung von Geräuschen, später der Sprachaufbau in Fördersituationen. Die sprachliche Förderung verläuft je nach Kind und Alter unterschiedlich. Jedes Kind bekommt die benötigte Entwicklungszeit, um Sprache zu lernen.
Grundsätzlich gilt: Die Angleichung an die Sprachentwicklung der normalhörenden Kinder ist umso größer, je jünger ein Kind bei der Implantation ist und umso weniger zusätzliche Beeinträchtigungen vorhanden sind.
Eine verbesserte Hörwahrnehmung ist für jedes Kind zu erwarten. Das CI bietet auch Kindern mit einer Mehrfachbehinderung eine zusätzliche Entwicklungschance, selbst wenn der Erwerb von aktiver Sprache nicht zu erwarten ist. Viele Kinder lernen besser auf Sprache zu reagieren und Sprache zu verstehen. Immer werden sie zumindest akustisch erreichbar, ein wesentlicher Faktor für die Arbeit am mehrfach behinderten Kind.
Die individuellen Rehabilitationsziele für das jeweilige Kind werden im Verlauf der Förderung besprochen und angeglichen. In jedem Fall benötigen Kind und Familie Fördermöglichkeiten an einem Ort, der erreichbar ist, so dass die regelmäßige Wahrnehmung der Termine gewährleistet ist.
Wichtig für den Erfolg einer Rehabilitation ist:
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Information der Eltern über den Inhalt der Rehabilitationsmaßnahmen.
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Aufklärung über die Befähigung des Kindes, einzelne Schritte in der Rehabilitation durchlaufen zu können.
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Stabilisierung der Familie bei Entwicklungsstillständen.
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Auch kleine Erfolge den Eltern bewusst zu machen.
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Die Erwartungshaltung der Eltern und eventuell des Kindes in einem dem Kind angemessenen Rahmen zu halten.
Leben mit dem Cochlea-Implantat
Während bei Defekten oder technischen Neuerungen ein Austausch der externen Komponenten des Systems problemlos möglich ist, erfordert jede Manipulation am Implantat selbst eine erneute Operation, bei der die gesamte Elektronik im Kopf ausgetauscht werden muss. Dies ist zwar aus medizinischer Sicht ohne weiteres möglich, beinhaltet jedoch für die Patienten oft eine große psychologische Komponente.
Man geht zwar von einer Lebensdauer des Implantates von 15 - 20 Jahren aus, dies bedeutet jedoch für viele Patienten mindestens eine Reimplantation im Laufe ihres Lebens. Des Weiteren sind auch Implantatausfälle durch Unfall oder Versagen der Elektronik möglich.
Dennoch bedarf das CI keines speziellen Schutzes durch Helme oder Ähnliches. Durch die konstante Körpertemperatur sind Sauna oder Skiurlaub kein Problem, die Haut schützt es vor Feuchtigkeit und auch Erschütterungen beim Springen oder Druckschwankungen beim Tauchen oder Fliegen stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar. Kinder können sich frei bewegen. Lediglich bei Sportarten, bei denen es zu direkten Schlägen auf das Implantat kommen kann, ist Vorsicht geboten.
Störungen durch elektromagnetische Felder können bei Benutzung bestimmter Handys auftreten, nicht jedoch in der Nähe von Hochspannungsleitungen, Mikrowellen oder anderer im Haushalt verwendeter elektronischer Geräte. Das CI-System selbst kann jedoch Störungen verursachen bei Funktelefonen oder Diebstahlwarnanlagen in Kaufhäusern. Auch Metalldetektoren - z.B. auf Flughäfen - können anschlagen. Elektrostatische Entladungen (Kinder-Plastikrutsche, Bällchenbad, synthetische Autositzbezüge...) stellen eine potenzielle Gefahr für die Prozessorelektronik dar, ein Überspringen auf das Implantat ist jedoch bisher nicht beobachtet worden.
Röntgenaufnahmen - insbesondere auch beim Zahnarzt oder mittels Computertomografie - sind ohne Einschränkung möglich, höchste Vorsicht ist allerdings geboten bei der Kernspintomografie. Diese kann unmittelbar nach der Operation überhaupt nicht und auch später nur unter bestimmten Vorsichtsmaßnahmen und nach Rücksprache mit der Klinik durchgeführt werden.