Quantensprung in der Diabetologie

Ein einfaches Darmhormon revolutioniert als Medikament die Diabetes-Therapie: Die so genannten GLP1- Rezeptor-Agonisten haben für Typ-II-Diabetiker nicht nur große kardio-vaskuläre Vorteile, sondern beeinflussen auch das Gewicht günstig. Die Forschung an dieser Therapie hat Prof. Michael Nauck, Leiter der klinischen Forschung der Diabetologie im St. Josef-Hospital, bereits 1987 begonnen und gemeinsam mit Prof. Juris Meier, heute Chefarzt der KKB-Diabetologie, fortgeführt.

"Wir haben schon früh festgestellt, dass dieses Sättigungshormon ein riesiges therapeutisches Potenzial besitzt“, so Prof. Nauck. Medikamente auf Basis der GLP1-Analoga sind seit 2007 zugelassen und werden seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. „Dies ist eine hervorragende Ergänzung der bisherigen Therapiemöglichkeiten – und die Entwicklung geht immer noch rasant weiter.“

Waren die GLP1-Analoga anfangs lediglich ein „interessanter Ansatz“, wurde nun gezeigt, dass dieses Medikament das schlimmste mit der Diabetes-Erkrankung verbundene Risiko deutlich reduziert: den vorzeitigen Tod durch Schlaganfall oder Herzinfarkt. „Das ist schwarz auf weiß nachgewiesen“, betont Prof. Nauck.

Dennoch werden bisher nur rund 2,5 Prozent aller Diabetiker damit behandelt. Dabei bietet das Darmhormon, das die körpereigene Insulinsekretion steigert, gegenüber der Standardtherapie mit Insulin zahlreiche Vorteile. Es senkt den Blutzucker enorm, birgt dabei aber keine Gefahr der Unterzuckerung.

„Und anders als bei einer Behandlung mit Insulin, nehmen die Patienten nicht zu, sondern im Schnitt zwischen zwei und drei Kilo ab“, betont Prof. Nauck. Juris Meier ergänzt: „Gewichtsreduktion durch Ernährung und Bewegung ist einer der Schwerpunkte im Diabeteszentrum Bochum/Hattingen – und es motiviert die Patienten natürlich, wenn wir dies mit Medikamenten unterstützen können.“

 

Die Nebenwirkungen von GLP1-Präparaten nehmen sich im Vergleich zu Insulin moderat aus. Die Mehrheit der Patienten hat keine Probleme. Jeder dritte bis vierte Patient allerdings reagiert mit Übelkeit, was dann mitunter zum Abbruch der Therapie führt.

Zahlreiche Entwicklungssprünge des Medikaments haben die beiden KKB-Diabetologen über die Jahre begleitet. „Ursprünglich musste das Medikament gespritzt werden“, erklärt Prof. Nauck. „Anfangs zweimal täglich, später einmal täglich, dann nur noch einmal wöchentlich. Dann wurde ein noch stärker wirkendes Präparat entwickelt, und bald kann man es wahrscheinlich einmal täglich als Tablette nehmen. Es gab bisher alle zwei Jahre neue Präparate mit gesteigerter Wirkung.“

Um die Ergebnisse eines gespritzten GLP1-Präparats mit einem in Tablettenform zu vergleichen, hat Prof. Meier eine internationale Studie geleitet. Sie wurde im renommierten Lancet-Journal veröffentlicht. Geeignet ist der Wirkstoff rein theoretisch für alle Typ-2-Diabetiker mit oder ohne Insulintherapie. „Nach internationalen Leitlinien empfiehlt er sich aber vor allem für Patienten mit vorgeschädigtem Herzen“, betont Prof. Meier. „Das sind 15 bis 25 Prozent aller Diabetiker.“