Enormer Gewinn an Lebensqualität

Neue Messtechnologien bei Diabetes machen rasante Fortschritte

Die Angst vor einer Unter- oder Überzuckerung hat Timo Rottmann stets begleitet. Gerade in seinem anstrengenden Job als Montagetechniker hat der 32-Jährige, der an einem so genannten Doppeldiabetes erkrankt ist, häufig vergessen, seinen Blutzucker zu messen - mit dramatischen Folgen wie einer plötzlichen Ohnmacht in den ungünstigsten Situationen.

Hilfe hat er im Zentrum für Diabetestechnologie des Katholischen Klinikums in der Klinik Blankenstein gefunden. Dort wurde Timo Rottmann ein neuer Sensor zur Blutzuckermessung implantiert. „Die Geräte dieser neuen Generation von Glukose-Sensoren messen automatisch einmal pro Minute den Blutzucker“, erläutert Priv. Doz. Dr. Johannes Dietrich, Leiter des Zentrums. „Per Bluetooth oder über eine andere Funktechnik steuern die Sensoren automatisch die Insulinpumpe des Patienten, so dass auf drohende Entgleisungen des Blutzuckers sehr schnell reagiert werden kann.“

In den vergangenen Jahren sind in der Diabetestechnologie erhebliche Fortschritte gemacht worden. Vor allem Patienten mit insulinabhängigen Diabetesformen (in erster Linie Typ I, Typ 3c und manche Unterformen des Typ 2 Diabetes), bei denen der Blutzucker trotz Insulintherapie immer wieder zu Entgleisungen neigt, profitieren davon.

„Mit den Fortschritten in Messtechnik, Insulinbehandlung und den Algorithmen, die der Dosisberechnung zugrunde liegen, können wir den Betroffenen im Zentrum für Diabetestechnologie einen individualisierten Therapieplan entwickeln, der ihren speziellen Bedürfnissen entgegenkommt“, sagt Johannes Dietrich. Für die neuen, innovativen Messsysteme werden Glucose-Sensoren (CGM) ins Unterhautfettgewebe des Patienten implantiert, die eine unblutige Messung des Blutzuckers per Smartphone oder Computer möglich machen.

Je nach System sind eine Alarmfunktion bei Entgleisungen und eine Kommunikation mit Insulinpumpen – eine Alternative zu mehrfach täglichen Insulininjektionen – möglich. Der Sensor wird per Funk mit der Pumpe verbunden. Ausgeklügelte Algorithmen sorgen dafür, dass die Pumpe beispielsweise bei einer Unterzuckerung automatisch abschaltet. Die neuesten Systeme reagieren auch auf einen zu hohen Blutzuckerspiegel – quasi wie eine externe Bauchspeicheldrüse.

Für den Fortschritt bei der stetigen Verbesserung dieser Algorithmen findet der KKB-Chefdiabetologe ein passendes Bild: „Bisher konnte man sie mit Assistenzsystemen im Auto vergleichen. Heute nähern wir uns dem autonomen Fahren, da sie die Einstellungen selbstständig übernehmen.“

Mittlerweile, so Dr. Dietrich, würden auch die meisten Kassen solche Systeme bezahlen: „Weil es dadurch weniger Komplikationen gibt, die ja letztlich sehr teuer für die Kassen sind.“ Zudem würden die Sensoren immer kleiner und zuverlässiger. Zum Messen gibt es die Sensoren schon länger. Neu ist die Koppelung mit Insulinpumpen. Vorteil für die Patienten: Sie können ein weitgehend normales Leben führen und fast vergessen, dass sie Diabetes haben.    

Wie Timo Rottmann. „Ich habe keine großen Blutzuckerschwankungen mehr“, freut er sich. „Ich kann mich nicht erinnern, mal wie jetzt drei Tage am Stück eine gerade Linie gehabt zu haben. Man wird durch das Gerät so eingestellt, dass man quasi wunschlos glücklich ist.“

Dennoch will er sich „langsam daran herantasten, wie das in meinen Alltag passt“. Immerhin: Schon an Tag zwei laufe es bereits problemlos: „Man fühlt sich viel sicherer.“ So habe er weniger Angst, in den Alltag zu starten – auch wenn einige Befürchtungen wohl bleiben werden. „Die gehen sicher auch nie weg – aber es ist tausendmal besser geworden“, sagt Timo Rottmann. „Für mich ist das ein enormer Gewinn an Lebensqualität.“