Das klassische Gelenkrheuma

Die chronische Polyarthritis ist die häufigste entzündlich-systemische Bindegewebserkrankung mit überwiegender Manifestation an den Gelenken. Es können daneben aber auch die Weichteile, Schleimbeutel, seröse Häute, innere Organe und Augen mitbetroffen sein.

Ursache

Die Ursache der Erkrankung ist letztlich weiterhin unklar. In genetischen Untersuchungen lässt sich nachweisen, dass die Krankheit in einzelnen Familien gehäuft auftritt. Der Ausbruch der Erkrankung wird aber meistens durch äußere Faktoren wie bakterielle oder virale Infekte ausgelöst.

Häufigkeit

Die Erkrankung tritt weltweit auf. In Mitteleuropa wie in der Bundesrepublik Deutschland geht man davon aus, dass ca. 1 - 1,5 % der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an chronischer Polyarthritis erkranken.

Manifestationsalter

Grundsätzlich kann die Erkrankung in jedem Lebensalter vom Kind bis zum Hochbetagten auftreten. In statistischen Untersuchungen lässt sich nachweisen, dass die Erkrankung am häufigsten im jungen und im mittleren Erwachsenenalter manifest wird.

Verlauf der Erkrankung

Am Beginn der Erkrankung besteht meistens ein sog. Prodromalstadium. Dabei tritt allgemeines Krankheitsgefühl, leichte Ermüdbarkeit, flüchtige Gelenkschmerzen und Gelenkschwellungen, Temperaturerhöhung ohne Nachweis von Fieber sowie Schwäche in den Händen beim Anheben von Gegenständen auf.
Diese Symptome können nach einiger Zeit verschwinden, sie können aber auch nach Wochen bis Monaten in eine manifeste Erkrankung übergehen.

Das Vollbild der Erkrankung ist gekennzeichnet durch andauernde Schwellungen mehrerer Gelenke. Hierbei sind meistens zuerst die Gelenke der Hände betroffen. Damit einhergehend kommt es zu einer Unfähigkeit, einen kompletten Faustschluss auszuüben und eine Reduktion der Handkraft. Typisch für die chronische Polyarthritis ist die Morgensteifigkeit der Gelenke, wobei sich erst nach einiger Zeit eine langsame Besserung der Beweglichkeit erreichen lässt.

Diagnosekriterien der chronischen Polyarthritis

  1. Gelenkentzündung in mindestens drei Gelenkregionen über mindestens 6 Wochen
  2. Beteiligung der Hand- und Fingergelenke über mindestens 6 Wochen
  3. Symmetrische Gelenkschwellungen einer Gelenkregion über mindestens 6 Wochen
  4. Morgensteifigkeit von mindestens 1 Stunde über mindestens 6 Wochen
  5. Nachweis von Rheumaknoten
  6. Nachweis des Rheumafaktors im Blut
  7. Typische radiologische Veränderungen

Die Diagnose ist gesichert, wenn mindestens 4 der 7 Kriterien erfüllt sind.

Diagnostische Maßnahmen

Zur Diagnosestellung der chronischen Polyarthritis steht ein breites Spektrum von Untersuchungen zur Verfügung. Zuerst muss eine genaue Anamnese erhoben werden und eine Untersuchung des Bewegungsapparates und der inneren Organe.

Bei den laborchemischen Untersuchungen des Blutes sind neben den Entzündungswerten die Bestimmung des Rheumafaktors und der Antikörper gegen Zellkerne wichtig. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass durch die Bestimmung des CCP-Wertes eine frühere und spezifischere Diagnose der chronischen Polyarthritis gestellt werden kann.

An bildgebenden Verfahren ist zuerst auf die Bedeutung der Skelettszintigraphie hinzuweisen. Hierbei kann nachgewiesen werden, in welchen Gelenken sich Entzündungen abspielen und in welchen Verschleißerscheinungen nachweisbar sind. Daneben ist primär die Röntgendiagnostik zur Diagnosestellung unverzichtbar, sie taucht deshalb auch in den vorbeschriebenen Diagnosekriterien auf.

Ultraschalluntersuchungen, computertomographische Untersuchungen und Kernspintomographie haben in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen.
Hier ist die weitere Entwicklung in den nächsten Jahren abzuwarten.

Therapie

Die Therapie der chronischen Polyarthritis setzt eine gesicherte Diagnosestellung voraus.

Unter den medikamentösen Maßnahmen ist zu unterscheiden zwischen symptomatischen Medikamenten und einer sog. Basistherapie. Die Basistherapie bezweckt eine Dämpfung des gestörten Immunsystems mit der Folge eines milderen Verlaufes der Erkrankung. Als erstes Basistherapeutikum wurde früher Gold verabreicht, diese Substanz ist aber inzwischen durch neuere Medikamente weitgehend zurückgedrängt worden. Es steht uns heute ein breites Spektrum an konventionellen Basistherapeutika zur Verfügung. Als Goldstandard gilt weiterhin das Methotrexat, mit dem über mehr als 20 Jahre gute Therapieerfolge erzielt werden konnten. In den letzten 10 Jahren sind neue Therapien unter dem Oberbegriff Biologica auf den Markt gekommen, die noch besser auf die Ursachen der Erkrankung einwirken sollen. Diese Medikamente haben in den letzten Jahren einen zunehmenden Stellenwert bekommen. Sie sollen aber erst nach erfolglosem Einsatz der konventionellen Basistherapeutika gegeben werden.

Unter den symptomatischen medikamentösen Therapiemaßnahmen sind Cortison und die Nicht Cortison-enthaltenden Antirheumatika, sog. NSAR, zu erwähnen. Beide Substanzgruppen haben einen schnellen Wirkungseintritt nach wenigen Stunden, sie müssen aber auch nach kurzer Zeit erneut gegeben werden. Durch die Entzündungshemmung wird auch eine Beschwerdelinderung für den Patienten erreicht. Diese Substanzen sind in der akuten Phase der Erkrankung unverzichtbar, sie sollten aber möglichst nur für eine begrenzte Zeit gegeben werden.

Basistherapeutika und symptomatische medikamentöse Maßnahmen stellen keinen Gegensatz dar, sondern sie sollten sinnvoll miteinander kombiniert werden.

Die Wirkungsweise der Basistherapeutika setzt nach aller Erfahrung erst nach Wochen bis Monaten ein.

Letztendlich muss auch auf die wichtige Bedeutung der nicht-medikamentösen Maßnahmen zur Behandlung der chronischen Polyarthritis hingewiesen werden.
Hier sind in erster Linie zu nennen: Krankengymnastik, Ergotherapie, physikalische Therapie und eine psychologische Mitbetreuung.

Unter den vorgenannten Maßnahmen kann die chronische Polyarthritis zum jetzigen Zeitpunkt zwar nicht geheilt werden, sie kann aber in ihren Auswirkungen für den Patienten wesentlich abgemildert werden, so dass er meistens eine akzeptable Lebensqualität behält.