Notfall – Chest Pain Unit

„Brustschmerzzentrum/Herzschmerzambulanz“ in Bochum (chest pain unit)

Einer von fünf Patienten, die sich mit plötzlich einsetzenden Brustschmerzen ihrem Hausarzt oder in einer Klinik vorstellen, wird innerhalb der nächsten drei Jahre versterben (Herlitz et al., 1998). Diese statistische Erfahrung ist von großer Bedeutung, da der „akute Brustschmerz“ das zweithäufigste Beschwerdebild ist, mit dem sich Patienten in einer Notfallaufnahme vorstellen (Eslick & Fass, 2003).

Ohne Zweifel ist es wichtig, bei neu oder akut einsetzenden Brustschmerzen zeitnah und zuverlässig kardiale Ursachen abzuklären, um ggf. prompt spezifische therapeutische Maßnahmen einleiten zu können. So gilt es heute als gesichert, dass eine möglichst rasche Wiedereröffnung eines verschlossenen Herzkranzgefäßes im Rahmen eines akuten Herzinfarktes das Überleben bessert und Folgeschäden (z. B. Herzschwäche) reduziert. Ein ebenso wichtiges Anliegen ist es, Patienten mit einem niedrigen Risiko einen unnötigen (und auch kostenintensiven) stationären Aufenthalt zu ersparen.

Die bisherige Versorgung führt dazu, dass sich Patienten mit akut oder neu einsetzenden Brustschmerzen häufig erst beim Hausarzt vorstellen, dann einem Facharzt vorgestellt werden, und erst anschließend in eine Klinik eingewiesen werden. Diese „Versorgungskette“ übt eine wichtige Filterfunktion aus, kann jedoch auch zu erheblichen Zeitverlusten führen. Zu diesen „externen“ Zeitverlusten gesellen sich intra-hospitale Zeitverluste, u.a. bedingt durch wenig definierte Behandlungspfade oder Informationsdefizite. Darüber hinaus steht diese Versorgungskette außerhalb der Praxisöffnungszeiten nicht zur Verfügung. Ein weiteres grundsätzliches Problem ist, dass Patienten, die erst einmal im Krankenhaus stationär aufgenommen sind, auch nach Klassifikation in eine Niedrig-Risiko-Gruppe zu lange stationär verweilen.

Im anglo-amerikanischen Sprachraum haben sich vielerorts Krankenhaus-basierte Rapid Access Chest Pain Units bewährt (Byrne et al., 2002; Aroney et al., 2003; Goodacre et al., 2004). In Deutschland sind bisher drei „Herzschmerzambulanzen“ an Universitätskliniken etabliert worden (Heidelberg, Mainz, Hannover), in Bochum sind seit April 2006 Herzschmerzambulanzen (chest pain units) im St. Josef-Hospital und Bergmannsheil in Betrieb genommen worden.

Die Herzschmerzambulanz ist eine rund um die Uhr betreute Versorgungsstruktur im Krankenhaus, die in dafür eigens vorgesehenen Überwachungsbetten eine prompte und stark strukturierte Risikostratefizierung vornimmt. Die Herzschmerzambulanz ist eine Ergänzung zu einer 24-Stunden-Rufbereitschaft für ein kardiologisches Interventions-Team. Im Fall eines akuten Herzinfarktes muss innerhalb vorgegebener Zeitgrenzen (zum Beispiel „door to needle time“ < 60 min) eine optimale bzw. Leitlinien-konforme Therapie eingeleitet sein (in der Regel wird das verschlossene Herzkranzgefäß mit Hilfe eines Ballonkatheters im Herzkatheterlabor wieder eröffnet). Im Fall einer Klassifikation in eine Niedrig-Risikogruppe (nach Ausschluss eines akuten Herzinfarktes) wird eine stationäre Aufnahme umgangen bzw. eine Überwachung auf maximal 6 - 24 Stunden begrenzt. Dieser Service steht für alle offen und ist eine sinnvolle Ergänzung zu der bisherigen Sektor übergreifenden Versorgungskette, insbesondere für die Nachtzeit und die Wochenenden, aber auch ein Service für unklare oder eilige Fälle während der normalen Praxisöffnungszeiten.

Die Einrichtung von „Herzschmerzambulanzen“ dient vornehmlich dazu, eine leitlinienkonforme Risikostratifizierung in der Schnittstelle Ambulanz/Krankenhaus zeitlich zu beschleunigen, dabei aber für Zuweiser und Brustschmerz-Patienten (Selbsteinweiser) die „Krankenhausschwelle“ niedrig zu halten. Mit dieser Einrichtung soll das Entscheidungsverhalten von Patienten mit unklaren Brustschmerzen dahin beeinflusst werden, zügiger als zuvor rund um die Uhr Hilfe aufzusuchen, um das Beschwerdebild abklären zu lassen.

Herzschmerzambulanzen erfordern neben speziellen „Herzbetten“ auch die Möglichkeit für eine Monitorüberwachung des Herzrhythmus und der Vitalparameter. Absprachen mit dem Zentrallabor erlauben eine sehr rasche Bestimmung der wichtigsten Laborwerte (innerhalb von 30 Minuten), um einen Herzinfarkt nachweisen oder ausschließen zu können. Ein 12-Kanal-EKG ist im Überwachungsraum vorhanden, ebenso die Möglichkeit für eine Ultraschalluntersuchung des Herzens zu jeder Tages- und Nachtzeit. Für die behandelnden Ärzte wurden spezielle „Herz“-Untersuchungsbögen entwickelt, mit deren Hilfe übersichtlich das kardiovaskuläre Risikoprofil und die Herzvorgeschichte dokumentiert werden können. Das Personal ist trainiert, plötzliche Herz-Kreislaufprobleme zu erkennen und optimal therapeutisch zu reagieren.

Literatur

  • Herlitz J et al., J Intern Med 1998;243:41-8
  • Eslick GD, Fass R. Gastroentrol Clin N Am 2003;32:531-552
  • Aroney CN et al., Med J Aust 2003 ;178 :370-4
  • Byrne J et al., Postgrad Med J 2002;78:43-6
  • Goodacre S et al., Br Med J 2004;328:254