Künstliche Intelligenz hilft beim Schlaganfall

Zeit ist Geld, so heißt es oft. Zeit ist aber auch Gesundheit. Wenn sich Krankheitssymptome andeuten oder sogar verfestigen, ist ein möglichst frühzeitiger Gang zum Arzt sehr wichtig. Nirgendwo zeigt sich dies so deutlich wie beim Schlaganfall: Jede Minute, die ohne Behandlung vergeht, sterben zwei Millionen Gehirnzellen ab. Hier sorgt eine neue App, die im St. Josef Hospital seit mehreren Monaten im Einsatz ist, für noch mehr Tempo und Genauigkeit in der für den Patienten lebensnotwendigen Diagnostik.

Prof. Carsten Lukas, Chefarzt der Neuroradiologie, und Prof. Christos Krogias, Leiter der Schlaganfallstation, nutzen diese App intensiv. Wenn ihre Assistenzärzte sie nach einer kritisch ausgefallenen Computertomographie (CT) des Gehirns anrufen, haben sie dieses Bild per Eilmeldung („Stroke Viewer“) auf ihrer App bereits vor Augen. Zeitaufwändige Telefonate entfallen, und der gegenseitige Abstimmungsprozess wird massiv beschleunigt. Folge: Die Entscheidung über die nächsten notwendigen Schritte kann ohne jeden Zeitverzug getroffen werden.

Dies umso mehr, als die App auch noch mit Künstlicher Intelligenz (KI) arbeitet. Sie schickt dem Arzt, egal, wo er sich aufhält, die CT-Aufnahme nicht nur gestochen scharf aufs Handy, sondern nimmt bereits erste Auswertungen vor. Dazu zählt vor allem die Frage, wie viel gesunde Gehirnzellen noch vorhanden sind. Die Basis für diese Analyse ist ein sekundenschneller computergesteuerter Abgleich der aktuellen Aufnahme mit einer Vielzahl von öffentlich zugänglichen, wissenschaftlichen Daten aus genau diesem Fachgebiet.

Neuroradiologen und Neurologen entscheiden dann umgehend, welche Behandlung sinnvoll ist. Das kann eine herkömmliche Auflösung des Blutgerinnsels durch Medikamente sein (Lyse), aber oft auch ein Eingriff, bei dem der Thrombus interventionell mit einem Katheter herausgezogen wird, quasi wie mit einem Korkenzieher (Thrombektomie). Dieses Verfahren ist seit vielen Jahren eine besondere Spezialität im St. Josef-Hospital.

„Die neue App“, betont Christos Krogias, „ist wie ein zusätzliches Paar Augen.“ Zweifeln an der Künstlichen Intelligenz, wie sie gelegentlich geäußert wird, treten die Bochumer Ärzte entgegen. „Der Mensch wird durch die Technik nicht ersetzt, sondern erhält eine wertvolle Entscheidungshilfe. „Viele Ärzte wissen noch gar nicht, welche Möglichkeiten sich ihnen dadurch eröffnen“, sagt Carsten Lukas. Künstliche Intelligenz wird die Neuroradiologie revolutionieren, so seine feste Überzeugung.

Der Schlaganfall hat typische Anzeichen, etwa halbseitige Lähmungserscheinungen im Gesicht, hängende Mundwinkel oder Sprachstörungen. Sobald solche Symptome erkennbar sind, muss sofort die 112 gewählt und ein Arzt aufgesucht werden. Um möglichst viele Gehirnzellen zu retten, muss die Behandlung so früh wie möglich beginnen.

Erste Studien haben ergeben, dass diese Zeit um bis zu 52 Minuten verkürzt wird, wenn Neurologen und Neuroradiologen die neue App nutzen. Carsten Lukas ist sicher: „Die Chance, schwere und bleibende Behinderungen zu verringern und die Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten, erhöht sich signifikant.“