Beim Schlaganfall zählt jede Minute

Mehr als bei jeder anderen Krankheit spielt der Faktor Zeit beim Schlaganfall die entscheidende Rolle. Bei akutem Verschluss eines Hirngefäßes können die Hirnzellen nur für kurze Zeit ohne Sauerstoff auskommen, so dass beim Schlaganfall jede Sekunde zählt. „Time is brain“, sagen
dazu die Experten („Zeit ist Gehirn“).

Wichtig ist es deshalb nicht nur, für Schlaganfallpatienten die erste Hilfe umgehend zu organisieren, sondern auch eine schlagkräftige Organisation im Krankenhaus selbst. Die Zeit, die von der Einlieferung des Patienten in der Notaufnahme bis zur Einleitung der Behandlung vergeht, muss so kurz sein wie nur irgend möglich. Diese Zeit beträgt im St. Josef Hospital durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen seit April 2016 durchschnittlich nur noch 36 Minuten (zuvor 53), oft sogar deutlich weniger. Diese lebensrettende Zeit wurde damit um rund ein Drittel verkürzt. PD Dr. Christos Krogias, Leiter der Schlaganfallstation (Stroke Unit), setzt sich schon jetzt noch höhere Ziele. „Wir wollen auf 30 Minuten herunterkommen.“ Dieses Ziel wird heute bereits in 45 Prozent der Fälle erreicht. Wird der Notaufnahme ein Patient mit Verdacht auf Schlaganfall per Funk angekündigt, laufen im Krankenhaus bereits die personellen und apparativen Vorbereitungen, so dass beim Eintreffen des Notarztwagens ohne jede Verzögerung mit der Behandlung begonnen werden kann.

Zur Beschleunigung beigetragen hat vor allem das Verfahren zur Bestimmung der Laborwerte. Das abgenommene Blut wird nicht mehr zuerst ins Labor gebracht und dort ausgewertet. Dies erfolgt vielmehr gleich vor Ort in der Notaufnahme („Point of Care“), was erheblich Zeit spart. Ein anderes Beispiel ist die sofortige Hinzuziehung eines Anästhesisten in der Notaufnahme. Auf ihn muss dann im Falle einer aufwändigen Behandlung nicht mehr gewartet werden, was zusätzlich wertvolle Zeit kosten würde. Die Umsetzung dieses hohen Tempos wird im St. Josef-Hospital regelmäßig auch in Notfallübungen trainiert.

Wie wichtig diese Verkürzungen sind, belegen amerikanische Studien. Die Neurologie geht davon aus, dass nach einem Schlaganfall pro Minute, die die Sauerstoffversorgung unterbrochen ist, die Lebenserwartung um drei Wochen sinkt und Nervenfasern in einer Länge von zwölf Kilometern zerstört werden.
Die Schlaganfallstation im St. Josef-Hospital verfügt über 26 Betten, davon zehn sogenannte Monitorbetten, in denen der Patient kontinuierlich apparativ überwacht wird. Verlässt er diese Akutstation, wird er nicht etwa in eine andere Abteilung verlegt, wo neue Ärzte ihn erst komplett neu kennen lernen müssen, sondern bleibt auf der Schlaganfallstation. Im vergangenen Jahr betreute das Team von Dr. Krogias 1.250 Patienten auf der Station. In 900 Fällen lagen tatsächlich Schlaganfälle vor.

Ein besonderes Angebot ist die sogenannte Thrombektomie. Sie kommt bei rund fünf bis zehn Prozent der Schlaganfallpatienten in Frage, nämlich dann, wenn ein großes Hirngefäß akut verschlossen ist. In diesen Fällen wird zusätzlich zur medikamentösen Therapie der Thrombus mit einem minimalinvasiven Eingriff aus der Arterie herausgesaugt (Rekanalisation). Bochum gehört bei dieser Methode zu den Pionieren: Sie kam 2015 international zum Durchbruch, wird aber im St. Josef-Hospital bereits seit 2010 angewandt. Voraussetzung für dieses Verfahren ist jedoch, dass der Patient sehr früh kommt, möglichst in den ersten sechs Stunden nach dem Schlaganfall.

Nicht zu unterschätzen sind auch nur kurz anhaltende Durchblutungsstörungen, sogenannte Transitorische Ischämische Attacken (TIA). Wenn sie auftreten, gibt es in den darauf folgenden Tagen ein hohes Risiko dafür, dass tatsächlich ein schwerer Schlaganfall folgt. Bewährt hat sich in Bochum auch die Ultraschall-Spezialambulanz, wo Patienten nach entsprechender Überweisung eines niedergelassenen Neurologen eine stark differenzierte Diagnostik erfahren. Dr. Christos Krogias ist dafür hoch anerkannt: Er verfügt über das höchste Zertifikat, das die deutsche Gesellschaft für Ultraschallmedizin (DEGUM) zu vergeben hat.