Sensor-Analyse für die Parkinson-Therapie

Datentechnik liefert präzises Bewegungsbild

Ein Forschungsprojekt der Klinik für Neurologie im St. Josef-Hospital wird von der Deutschen Parkinson Vereinigung mit 80.000 Euro gefördert. Diese Mittel investiert die Parkinson-Abteilung der Klinik unter Leitung von Prof. Lars Tönges als landesweit führendes Behandlungszentrum in die Durchführung der so genannten „Park Move-Studie“.

Im Mittelpunkt steht dabei eine große Datenmenge, die mit Fußgelenks- und Bauchsensoren ausgestattete Patienten in zwei oder drei 20-minütigen Zusammenkünften in eine spezielle Programmdatei übertragen. Bislang hat die Klinik für Neurologie die Daten von 40 Patienten erfasst. Ziel ist es, 100 Patienten mit diesem zukunftsweisenden ausführlich zu untersuchen. Auf ein Kriterium können sich dabei alle getesteten Erkrankten verlassen: Bei den Übungen wird stets die individuelle Belastbarkeit der Patienten berücksichtigt. Ein vergleichsweise einfaches Basisprogramm absolvieren nach Möglichkeit alle. Alle weiteren Übungen haben optionalen Charakter. Dieses Konzept geht gut auf, wie zwei durchaus typische Bewertungen von Patienten darlegen: „Die Messungen mit den Sensoren waren sehr interessant für mich und eine ganz neue Erfahrung.“ Und: „Ich freue mich, mit der Teilnahme an den Untersuchungen einen kleinen Beitrag für die Forschung und die Therapieverbesserung bei Parkinson leisten zu können."

„Das Bewegungsbild ist jedoch oftmals viel komplexer.“

Belastend ist das Park Move-Verfahren in keiner Weise, erläutern zwei Doktoranden von Prof. Tönges, Judith Oppermann und Andreas Moewius: „Jeweils zu Beginn und zum Ende der Parkinson-Komplextherapie werden die Messungen mit den Sensoren durchgeführt. Hierfür legen wir den Patienten zwei leichte Sensoren mit Klettverschlüssen an den Fußaußenseiten an und einen weiteren Sensor, der wie ein Gürtel funktioniert, im Hüftbereich an. Anschließend starten wir verschiedene Übungen bzw. Ganganalysen. Währenddessen übermitteln die Sensoren per Bluetooth-Verbindung und einer entsprechenden App die präzisen Bewegungsdaten, wie zum Beispiel die Schrittlänge oder die Kontaktzeit zwischen Fuß und Boden, an ein Programm das auf dem Tablet-PC des Untersuchenden aufgespielt ist. Diese Bewegungsdaten werten wir gemeinsam mit Kollegen der Uniklinik Kiel aus. Veränderungen im Bewegungsverhalten zwischen den beiden Messzeitpunkten können wir so sehr gut sichtbar machen.“

Abteilungsleiter Prof. Lars Tönges ist nach ersten Untersuchungen vom Erfolg des neuen Verfahrens überzeugt: „Mit der Park Move-Studie erhalten wir in aller Regel ein objektiveres und vollständigeres Bewegungsbild unserer Patienten als allein durch jene, die auf unsere Beobachtung und die Selbstwahrnehmung der Betroffenen basieren. Das ärztliche Auge kann oft die Komplexität der Bewegungsveränderungen nicht gleichzeitig in vollem Umfang erkennen. Und eine Reihe von Patienten wiederum nimmt ebenfalls nur selektiv Symptome war und berichtet lediglich über die für sie bedeutsamsten Veränderungen. Das Beschwerdebild ist oftmals jedoch viel komplexer.“

Das Fortschreiten der Erkrankung kann genauer vorausgesagt werden

Natürlich werden die Eindrücke des Behandlungsteams und des Patienten künftig nicht außer Acht gelassen. Sie treten künftig neben das Bild, das die Daten der Park Move-Studie zusammenfügen. Und dieser Gesamtstatus wiederum hilft Prof. Tönges und seinem Team auf zwei Ebenen: „Zum einen können wir viele Behandlungen optimieren, z.B. mit der Medikation, spezialisierter Parkinson-Fachpflege oder der Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie. Zum anderen werden wir bei vielen Patienten mit erst beginnender Symptomatik wie Zittern und Zuckungen, Starre und instabile Körperhaltung, um nur die bekanntesten zu nennen, schneller tätig, weil wir die Einschätzung über eine Parkinson-Erkrankung genauer vornehmen können.“ Resumierend betrachtet können durch das Park Move-Verfahren alle Beteiligten profitieren: Patienten, Angehörige, klinische wie niedergelassene Behandler und langfristig auch die Krankenkassen.

Die Bewegungsanalyse ist nicht der einzige Bereich, in dem Diagnose und Therapie der Parkinson-Erkrankung wichtige Fortschritte machen. Prof. Tönges sieht mittelfristig gute Perspektiven: „Durch intensive Grundlagen und patientennahe Forschung wurden in den letzten Jahren bahnbrechende Erkenntnisse über Mechanismen der Entstehung der Parkinson-Erkrankung erzielt. Diese Erkrankungsauslöser können jetzt mehr und mehr Patienten-individuell zugeordnet werden. Im Grunde ist jede Parkinson-Erkrankung in gewisser Weise einzigartig, so wie auch jeder Mensch einzigartig ist. Diese Kenntnisse werden bei den neuen Therapieentwicklungen berücksichtigt, die nicht nur Symptome lindern wollen, sondern die Erkrankung ursächlich therapieren wollen. Derzeit müssen wir uns noch damit begnügen, Ursachen anzugehen, die bei einer Gruppe von Patienten ähnlich sind. Das Ziel der Zukunft ist jedoch, für jeden Patienten eine eigene Therapie anzubieten, die sich aus einem Portfolio von Basistherapien und individualisierter Anwendung bedient. Der Nachweis von Verbesserungen in der motorischen Funktion wie in der Park Move-Studie wird einer unserer Erfolgsmarker sein, an dem wir uns messen.“