Kampf den Krampfadern

7.000 Liter jeden Tag? Der Inhalt von 700 Kästen Bier, 500 Kästen Mineralwasser oder 35 gefüllten Badewannen. Unvorstellbar? Vielleicht, aber doch zu bewältigen. So viel Blut nämlich pumpen die Venen des Menschen jeden Tag zum Herzen – und das auch noch entgegen der Schwerkraft mit einem Höhenunterschied von 1,50 Metern. Auch hier leistet der Körper Hochleistungsarbeit, ohne dass dies so recht in unser Bewusstsein dringt.

7.000 Liter jeden Tag, eigentlich kein Wunder, dass dies nicht immer ein Leben lang gut geht. Viele Menschen klagen über müde und schwere Beine, vor allem dann, wenn sie im Beruf überwiegend sitzen oder stehen müssen. Und das trifft in unserer Dienstleistungsgesellschaft auf immer mehr Menschen zu. Der Druck auf die Beine ist also enorm. Übergewicht, Bewegungsmangel, aber auch Vererbung tun ein Übriges. Die Folge sind Krampfadern, medizinisch als Varizen bezeichnet. „Jede fünfte Frau und jeder sechste Mann hat ein Venenleiden, das behandelt werden muss“, sagt Prof. Markus Stücker. Allein in Deutschland sind das Millionen. Eine echte Volkskrankheit also. Krampfadern entstehen in erster Linie als Folge einer allgemeinen Bindegewebsschwäche. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, ältere Menschen häufiger als jüngere.Gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Achim Mumme leitet Markus Stücker das Venenzentrum Bochum. Getragen von den Universitätskliniken Dermatologie und Gefäßchirurgie des Katholischen Klinikums behandelt das Bochumer Zentrum im St. Maria-Hilf-Kranken haus rund 10.000 Patienten im Jahr.


Längst nicht immer muss operiert werden. Oft reichen einfachere Maßnahmen aus, um dem Patienten zu helfen. Achim Mumme, Direktor der Gefäßchirurgie im St.Josef-Hospital, nennt das den „360-Grad-Ansatz“. Will heißen: Jede Behandlung ist individuell und schonend auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnitten. Effektiv und schmerzfrei. In etwa 20 Prozent der Fälle muss dann aber doch operiert und die Krampfader entfernt werden. In Bochum rund 2.000 Mal im Jahr, in drei Operationssälen.
Mit diesen Zahlen liegt das Venenzentrum Bochum bundesweit unter den größten zehn Einrichtungen seiner Art. Im Ruhrgebiet ist es mit weitem Abstand die Nummer 1. Aber Größe ist für Achim Mumme nicht die alleinige Zielmarke: „So groß wir auch immer sein mögen, es zählt immer der Mensch.“ Er möchte kompetent und mit modernster Technik behandelt werden, gleichzeitig aber auch Wertschätzung erfahren: „Diese Anforderung dürfen wir nie vergessen. Zugewandt sein, das ist unser Anspruch.“


Innovation und Hochtechnologie aber ebenso. Die Medizin hat sich auch hier mit hohem Tempo weiterentwickelt. Früher wurden krankhaft veränderte Venen nahezu ausnahmslos operativ entfernt oder durch Hitzeanwendung zerstört. Dies aber ist riskant. Schließlich können später arteriosklerotische Gefäßerkrankungen am Herzen oder an den Beinen auftreten, die eine Bypass-Operation erforderlich machen. Dafür werden die oberflächlichen Venen als Gefäßersatzmaterial benötigt. Gerade bei gefährdeten Menschen – etwa Diabetikern, Patienten mit Bluthochdruck oder Rauchern – sollte daher die große Stammvene möglichst erhalten bleiben.
Im Venenzentrum des Katholischen Klinikums wird erfolgreich eine venenerhaltende Reparatur (Extraluminale Valvuloplastie) durchgeführt. Das erstmals in Australien eingesetzte Verfahren wurde in Bochum zur Routinemethode weiterentwickelt. Über einen kleinen Schnitt wird die belastete Vene freigelegt, mit einem Kunststoffmantel umhüllt und auf den normalen Durchmesser gebracht. Damit bekommen die in der Vene arbeitenden Klappen wieder Kontakt und können die Verschlussfunktion weiter ausüben. Nach Korrektur der Venenklappen kann sich auch die Krampfader wieder normalisieren.
Markus Stücker: „Nicht bei jedem Patien ten ist diese organerhaltende Therapie geeignet, aber bei vielen.“ Die Langzeitergebnisse sind jedenfalls positiv. In einer Zehn-Jahres-Studie konnten die Ärzte des Venenzentrums Bochum nachweisen, dass die Ergebnisse vergleichbar sind mit denen der sonst üblichen Stripping-Operation.