In Wohngebieten mit hoher Arbeitslosigkeit wird viel häufiger der Notarzt gerufen als in anderen Vierteln. Diesen engen Zusammenhang hat eine Studie ergeben, die unter Leitung von Priv. Doz. Dr. Christoph Hanefeld, Direktor der Inneren Medizin im St. Elisabeth Hospital Bochum, erstellt und nun im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht worden ist (https://www.aerzteblatt.de/archiv/195862).
Das St. Elisabeth-Hospital gehört zum Katholischen Klinikum Bochum (KKB). Erfasst wurden zunächst sämtliche 16.767 Notarzteinsätze der Stadt Bochum in den Jahren 2014 und 2015. Um eine Zuordnung zur Wohnumgebung und der dort herrschenden wirtschaftlichen Situation herzustellen, konzentrierten sich die Forscher anschließend auf jene Fälle, in denen der Ort des Notarzteinsatzes dem Wohnort des Patienten entsprach (12.198).
Besonders aussagefähig sind bei diesen Einsätzen Herz- und Lungenerkrankungen sowie Schlaganfälle. „Es zeigte sich, dass die notärztliche Einsatzrate in sozial benachteiligten Stadtteilen signifikant erhöht ist. Hier wird eine gesamtgesellschaftliche Problematik erkennbar, die bei der Rettungsdienstorganisation konkret berücksichtigt werden sollte“, resümiert Dr. Hanefeld. Studien, die den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Notarzteinsätzen und wirtschaftlichen Bedingungen zum Inhalt hatten, gab es in den vergangenen zehn Jahren nicht. Zugleich nahm die Zahl der Rettungsdiensteinsätze in Deutschland stark zu.
Für die statistische Auswertung der neuen Studie zuständig war Prof. Hans-Joachim Trampisch, Leiter der Abteilung für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie an der Ruhr Universität Bochum. „Ich bin überrascht, wie extrem eng dieser Zusammenhang ist“, betont er. „Das hatte ich nicht erwartet. So deutlich wurde das noch nie gezeigt.“
„Akute Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind ein häufiger Grund für Notarzteinsätze. Es muss unbedingt weiter erforscht werden, warum sie in sozial benachteiligten Gebieten so viel häufiger vorkommen und wie sich dies verbessern lässt“, betont Prof. Andreas Mügge, Mitautor der Studie und Direktor der Kardiologischen Klinik im St. Josef-Hospital.
Priv. Doz. Thomas Lampert, Leiter des Fachgebietes Soziale Determinanten der Gesundheit am Robert-Koch-Institut und ebenfalls Mitautor der Untersuchung: „Arbeitslosigkeit verursacht Stress und Zukunftsängste. Sie geht mit einem ungesünderen Gesundheitsverhalten einher, was sich z.B. in Bezug auf den Tabak- und Alkoholkonsum, die Ernährungsweise und die körperliche Aktivität zeigt. Dem entspricht ein etwa 2- bis 3-fach erhöhtes Risiko für Krankheiten und Gesundheitsbeschwerden. Dies gilt auch und gerade für Krankheiten, die Notarzteinsätze erforderlich machen.“