Im Fokus: Pflegekräfte entdecken das Hochschulstudium
Pflege im Krankenhaus muss nicht nur patientenorientiert sein, sondern auch eine Versorgung nach modernsten Fachstandards sicherstellen. Darin unterscheidet sie sich nicht von den Anforderungen, denen sich die Ärzte stellen müssen. Ein Beitrag dazu ist die schrittweise Akademisierung der Pflegeberufe.
In vielen deutschen Hochschulen – staatlich, kirchlich und privat – sind Pflege-Studiengänge geschaffen worden. Dabei unterscheidet man zwischen pflegewissenschaftlichen, pflegepädagogischen und Pflegemanagement-Fakultäten. Mit zwei Hochschulen unterhält das Katholische Klinikum Bochum enge Kooperationen: Die Studierenden der Bochumer Hochschule für Gesundheit (hsg) absolvieren ihren praktischen Teil auf Stationen des KKB, während an der Evangelischen Hochschule Bochum (EVH) viele KKB-Pflegekräfte berufsbegleitend mit dem Ziel eines akademischen Abschlusses studieren. Parallel dazu führen EVH-Studierende regelmäßig Projektarbeiten auf den KKB-Klinikstationen durch.
Immer ein Kompetenzvorsprung
Was genau lernen sie und was können sie mit dem Examen mehr leisten? Rein formell geht es um Literatur-Recherche, die Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten sowie die Einordnung und kritische Überprüfung pflegerischer Arbeit. Hinzu kommt die Fähigkeit, Konzepte zu entwickeln und einzuschätzen, welche Kompetenzen Patienten mit speziellem Unterstützungsbedarf wie z.B. Demenz benötigen.Hehre Ziele, aber als Motivation auf Dauer nicht genug. Was stellt für eine ambitionierte Pflegekraft einen Anreiz dar, an eine heutzutage ohnehin anspruchsvolle Berufsausbildung noch ein Studium anzuhängen? KKB-Pflegedirektor Elmar Hanke antwortet differenziert: „Das Studium ist zunächst eine persönlichkeitsbildende Phase. Die Absolventen erwerben einen Kompetenzvorsprung und können in ihrem Team schnell eine hervorgehobene Rolle einnehmen. Es ist jedoch ein Irrglaube, dass Pflegekräfte mit Studienabschluss automatisch eine Leitungsfunktion und höhere Gehaltsstufen einnehmen können. Die Karriereleiter steht zumindest bis zur mittleren Leitungsebene noch allen Pflegekräften offen, sie müssen sich halt speziell dafür qualifizieren.“ Elmar Hanke sieht gleichwohl gute Gründe für ein Studium. „Die Absolventen pflegewissenschaftlicher Studiengänge sind ein bedeutsamer Baustein in der qualitativen Weiterentwicklung der Pflege. Von diesem Beratungsnetzwerk profitieren sowohl unsere Patienten durch eine immer weiter optimierte Versorgung, als auch unsere Behandlungsteams in der ambulanten und stationären Versorgung.“
Schon heute hat die Pflege eine Anlaufstelle mit Datenbank, bei der sich Mitarbeiter jederzeit melden können, wenn sie theoretische und praktische Unterstützung in bestimmten Versorgungsfällen benötigen. Typische Felder sind das Wundmanagement, die Onkologie, Anästhesie und Intensivpflege, bei denen eine Reihe von akademisierten Pflegekräften auch in akuten Fällen wissen, was zu tun ist – und eben auch persönlich zur Verfügung stehen. So tauchen regelmäßig Fragen auf, wie man wundgelegene Patienten individuell am besten versorgt oder wie man Patienten vor einer OP individuell in einen Entspannungszustand versetzt.
Viele Stationsteams reagieren auf dieses Konzept aufgeschlossen. Es gibt aber nicht nur Jubel. Manche ältere und ohne Studium ausgebildete Pflegekräfte haben noch vereinzelte Berührungsängste: Da gibt es einige Kollegen, die in ihren gängigen Arbeitsabläufen so routiniert und versiert sind, dass sie ihr vorhandenes Wissen für ausreichend und erfolgreich genug halten. Andere sind in guter Absicht stark in ihrem Abteilungsdenken verhaftet – nach dem Motto: „Was sollen ganz unterschiedlich orientierte andere Abteilungen und Fachgebiete uns schon helfen können? Sobald aber sichtbar wird, wie neue Erkenntnisse Sinn machen, lösen sich Ressentiments jedoch zunehmend in Luft auf.
Zielgenaues Konzept entwickelt
Um kontinuierlich neues Pflege-Know-How ins Klinikum hineinzutragen (u.a. durch Fachweiterbildungen) soll eine klinikeigene Arbeitsgruppe schrittweise ein maßgeschneidertes Gesamtkonzept entwickeln, das auf der Grundlage einer evidence-basierten, also nachweislich erfolgreichen Pflege, fußt. Die ersten Erkenntnisse sind vielversprechend. Mit der Leitung dieser Gruppe ist Stefan Giannis beauftragt. Der 55-jährige Diplom-Pflegewissenschaftler hat motivierte Mitstreiter an seiner Seite: „Unser Ziel ist es, einen gut handhabbaren Kriterienkatalog für die Überprüfung und Weiterentwicklung allen pflegerischen Handelns auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zu erstellen. Einmünden soll dieser Katalog in Leitlinien für alle pflegerischen Prozesse in unseren Häusern.“
Pflegedirektor Elmar Hanke resümiert: „Wir sind sicher, dass sich die Akademisierung weiter fortsetzen wird, was man auch in anderen EU-Ländern sehen kann. Lebenslanges Lernen ist auch in der Pflege wichtig. Und über allem muss stehen, dass die erworbenen Kompetenzen auch beim Patienten ankommen – vom Säugling bis zum alten Menschen.“
„Es gibt im Alltag auf unserer Chirurgie 1-Station immer wieder Situationen, in denen wir unser theoretisches Wissen zum Nutzen der Patienten einbringen können. So tauchte vor kurzem die Frage nach der unterschiedlichen Schmerzwahrnehmung von Patienten aus anderen Kulturkreisen auf. In solchen Fällen kenne ich gute Quellen, die helfen können, die Nöte dieser Patienten schnell zu verstehen und sie, natürlich in Absprache mit dem behandelnden Arzt, mit einer auf sie zugeschnittenen Schmerztherapie zu versorgen.“
Karina Jordan hat einen hsg-Pflege-Abschluss erlangt.
"Wenn wir Patienten mit Behinderungen haben, entstehen manchmal Unsicherheiten über ihren meist sehr strukturierten Tagesablauf zu Hause oder in ihren Wohngruppen. In solchen Fällen kann ich gut eine Brücke bauen und Vertrauen zu diesen Patienten herstellen. Darüber hinaus kann ich durch die Anwendung der Psychomotorik, so beispielsweise durch die bessere Wahrnehmung des eigenen Körpers oder durch Entspannungsübungen, Patienten den Krankenhaus-Aufenthalt etwas angenehmer gestalten.“
Alice Kerkhoff, seit 2014 Pflegekraft auf der Station Chirurgie 1 im St. Josef-Hospital, kann auf Kenntnisse zurückgreifen, die sie während ihres Studiums und ihrer anschließenden Berufserfahrung in der Heilpädagogik erworben hat.