Jeder kann vom anderen lernen

Prof. Falk Bechara koordinierte eine Studie mit 45 Zentren weltweit

Forschung gehört neben einer hochwertigen Patientenbehandlung zu den wichtigsten Aufgaben jeder Universitätsklinik. Von besonderer Bedeutung sind Studien, die nicht nur an einem einzigen Standort durchgeführt werden, sondern an denen international mehrere Zentren beteiligt sind (Multicenter Studien). Aber gleich 45?

„Ja, diese hohe Zahl war sicher eine besondere Herausforderung“, sagt Prof. Falk Bechara, Leitender Oberarzt und Chef der Dermatochirurgie in der Universitätsklinik für Dermatologie im St. Josef-Hospital Bochum (Direktor: Prof. Eggert Stockfleth). Er ist Spezialist für Operationen von Acne Inversa, einer der schwerwiegendsten Hautkrankheiten überhaupt. Sie ist äußerst schmerzhaft und auch psychisch mit hohen Leidensdruck verbunden.

Bochum ist für diese Operation eines der führenden Zentren weltweit. Vor diesem Hintergrund koordinierte Falk Bechara als Erstautor eine Studie mit 45 Einrichtungen in 20 Ländern auf allen Kontinenten. Die Ergebnisse wurden im renommierten JAMA Surgery veröffentlicht, der führenden chirurgischen Fachzeitschrift weltweit.

Konkret ging es um Adalimumab, ein entzündungshemmendes Standardmedikament. Bisher war nicht geklärt, ob dieses zugelassene Präparat, das auch bei anderen Krankheiten wie Rheuma oder chronischen Darmentzündungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn mit Erfolg verabreicht wird, vor Acne-Inversa-Operationen abgesetzt werden muss oder nicht. Ergebnis der vierjährigen Studie: Es ist sowohl vor als auch nach der Operation wirksam und gleichzeitig sicher. Professor Bechara beurteilt dieses Ergebnis als Meilenstein, weil es für viele Menschen den Heilungsverlauf verbessert.

Die Rekrutierung der Patienten war außerordentlich schwierig. Der Grund dafür war nicht etwa, dass Acne Inversa eine sehr seltene Erkrankung wäre. Allein in Deutschland leiden darunter mehrere 100.000 Menschen.

Als Hindernis erwies sich vielmehr, dass Operationen bei Acne Inversa in den meisten Ländern der Welt nicht von Dermatologen ausgeführt werden, sondern von Vertretern verschiedener chirurgischer Fächer wie z.B. Viszeralchirurgen oder plastischen Chirurgen, die oft unterschiedliche operative Techniken in der Versorgung der Acne inversa einsetzen wie z.B. bei der Ausdehnung der Operation, den zu wählenden Schnitträndern etc.

Da aber eine einheitliche Vorgehensweise für die Studie zwingend nötig war, erwies sich die Wahl der infrage kommenden Zentren als komplex - und damit auch die Suche nach teilnehmenden Patienten. Am Ende wurden es 200, davon allein 20 in Bochum. „Zu meinen Hauptaufgaben gehörte es unter anderem, die Zentren für die operative Versorgung zu trainieren. Diese Kommunikation war zum Teil doch sehr aufwändig“, sagt Prof. Bechara. Aber sie war entscheidend: Schließlich musste sichergestellt werden, dass das Studienergebnis nicht durch ein zu heterogenes Vorgehen der Operateure verzerrt wurde.

Alle Patienten wurden zwölf Wochen vor der OP und zwölf Wochen danach überprüft. Die Messung umfasste Wundheilungsstörungen, Blutungskomplikationen, Infektionsentwicklungen und das Schmerzempfinden. Darüber hinaus wurde nach einem international validierten und anerkannten Bewertungsbogen die Lebensqualität abgefragt.

In der modernen Medizin ist Interdisziplinarität zu einem entscheidenden Kriterium geworden. Zwischen Dermatologie und Chirurgie ist sie in dieser Studie in beeindruckender Weise gelungen, ganz unabhängig davon, dass die Wirksamkeit und Sicherheit eines einzelnen Medikaments unter neuem Blickwinkel gezeigt werden konnte. Aus Sicht von Falk Bechara gibt das Ergebnis auch über die beiden direkt betroffenen Fachrichtungen hinaus wichtige Denkanstöße: „Vereinfacht gesagt geht es darum, den Blick offen zu halten für die Meinung anderer. Jeder kann vom anderen lernen.“

In diesem Fall waren es Chirurgen und Dermatologen. Ein guter Chirurg weiß, dass das Messer allein nicht heilt. Und umgekehrt wird ein guter Dermatologe realisieren, dass unter bestimmten Bedingungen eine Operation nötig ist. Miteinander zu reden, ist dann der Erfolgsfaktor.